Auf in den Hohen Norden – Havoysund
Nachdem ich schon etwas in die Fjordangelei reingeschnuppert habe und die ein oder andere Erfahrung vom Süßwasserspinnfischen ganz gut auf Norwegen übertragen konnte, sollte es auf Empfehlung von Frank Brodrecht von Kingfisher im Herbst 2014 nach Havoysund gehen, um dem offenen Meer etwas näher zu sein. Zudem war es landschaftlich etwas ganz anderes als die Fjorde etwas weiter südlich. So hoch in den Norden ist die Anreise natürlich etwas aufwändiger und so ging es über Kopenhagen nach Oslo und von dort weiter nach Alta. Dort wartete ein Kleinbus auf uns, der uns in knapp 3 Stunden dann an unser eigentliches Ziel, das Camp von Norway Guide Fishing in Havoysund bringen sollte. Mir war zwar klar, dass ich die Schönheit der Fjorde dort oben nicht finden werde, aber schon in Alta wurde mir bewusst, dass richtige Bäume soweit im Norden nicht mehr wirklich zu finden sind. Desto weiter wir von dort mit dem Bus gen Norden fuhren, desto karger wurde die Landschaft. Felsgrund und Moose schmücken diese etwas unwirklich wirkende Gegend, aber wir wollten schließlich Angeln und nicht wandern. Dabei wäre das Wandern dort sehr gut möglich, wir konnten aus dem Bus kilometerweit in die Landschaft schauen ohne Häuser oder andere Straßen zu sehen. Richtung Havoysund wurde es dann deutlich bergiger und auch noch felsiger als wir direkt am Meer die schönen Pass-Straßen entlang fuhren.
Der Ort Havoysund liegt wie der Name schon sagt direkt an einem Sund auf dem 71. Grad nördlicher Breite. Der Sund zieht sich von West nach Ost, im Norden befindet sich die Insel Havoya (Meerinsel), die quasi direkt ans offene Meer grenzt. So kann man je nach Wetterlage und Windverhältnissen Richtung Westen oder Richtung Osten den Sund verlassen und hat bei Bedarf immer einen gewissen Landschutz. Zudem gibt es in Richtung offenes Meer im Norden, Westen und Osten noch weitere Inseln, Richtung Süden befindet sich das Festland. Und mit Wind muss man so nah am offenen Meer immer rechnen, das haben wir selbst zu spüren bekommen. Der Ort hat rund 1.200 Einwohner und mehrere Fischfabriken. Mit fußläufig zu erreichendem Supermarkt und einer Tankstelle inkl. der Betankungsmöglichkeit von Booten ist die Infrastruktur des Ortes geradezu ideal, dafür muss man wegen der Fischfabriken und kleineren Marinas mit einem gewissem Industrieflair leben.
Das Camp hat einen eigenen kleinen Hafen, in dem die wirklich perfekte Bootsflotte liegt. Es handelt sich um rund 7m lange Arronet Aluminiumboote mit 135 PS, Radar, Funk, Plotter, Echolot und allem notwendigem technischen Schnickschnack. Die Boote sind mit Fischkisten, 2-3 unterschiedlichen Gaffs und Flying Gaff komplett ausgestattet und gehören zu den besten Angelbooten in Norwegen. Sie sind äußerst rauhwassertauglich und das brauchten wir bei einer sehr windigen Angelwoche auch dringend. Von angepeilten 7 Angeltagen, kamen wir leider nur 3,5 Tage überhaupt aufs Wasser und von diesen 3,5 Tagen war die Hälfte auch nur deshalb noch angelbar, weil diese großen Boote Einiges an Welle vertragen können und auch bei der Fahrt sehr gut in oder in unserem Falle eher auf der Welle liegen. Die Unterkünfte sind großzügig und komfortabel, es gibt einen großen Gefrierraum und die Filetierplätze sind trocken und warm innerhalb des Camp-Hauses. Im Camp selbst sind stets 1-2 Guides vor Ort, so dass eine gute Betreuung und auch geführte Touren kein Problem sind.
Wir hatten es in erster Linie auf Heilbutt abgesehen, wollten aber auch die großen Dorsche ärgern. Am Tag 1 ging es gleich mit dem Guide Brian und einem weiteren Boot im Schlepptau auf Butt. Die Erwartung war daher natürlich riesig, doch die Butts sahen das etwas anders. So wirklich juckig waren die Burschen nicht, auch wenn Brian nach rund 1,5 h einen 90er Butt auf Köderfisch fangen konnte. Wir feuerten pausenlos unsere Gummis Richtung Horizont, doch auch nach Stunden des Werfens gab es keinen Biss. Ich hatte einen Anfasser, aber das war es. Brian konnte gegen Abend dann noch einen weiteren Butt auf Gummifisch fangen. Zwischendurch konnten wir inmitten raubender Möwen jedoch einige schöne Dorsche bis 90 cm erwischen, krumme Ruten gab es also. In Bezug auf Heilbutt waren wir jedoch wieder schnell auf dem Boden der Tatsachen, denn ins Boot springen einem die Burschen offenbar nirgendwo. Futterfisch gab es zudem reichlich. Fast überall waren kleine Seelachse und zusätzlich sehr viele Sandaale zu finden.
Da die Windprognosen für den Rest der Woche recht bescheiden aussahen, wollten wir am Tag 2 die Plateaus Richtung Nordwesten ansteuern, weil dort meist sehr schöne Dorsche stehen und mit guten Butten gerechnet werden kann. Diesmal war Brian im anderen Boot und wir fuhren hinterher. Auf den Plateaus in 30-50m Tiefe stand auch reichlich Fisch und wir konnten viele Dorsche bis 80 cm fangen. Es gesellten sich auch einige Steinbeißer dazu, Butte blieben aber noch aus.
Für mich war die Angelei in der Dünung mit entsprechendem auf und ab und der Strömung erst mal ungewohnt, aber zum Glück bin ich halbwegs seefest. Ich kann jetzt aber auch verstehen, wenn manche Angler die offene See meiden und nur in Fjorden angeln wollen. Irgendwann wollte ich keine Dorsche mehr Jiggen und kurbelte den Gummifisch einfach rund 5-10 m nach oben und hielt ihn einfach in der Drift. Nach einer halben Stunde zuckte es und der Fisch sauste mit vollem Speed direkt 5m Richtung Grund bevor er ausstieg. Da war es wieder, das Heilbuttfieber hatte mich sofort gepackt, auch wenn an dem Tag kein Heilbutt mehr zupacken wollte.
Die nächsten 2 Tage waren sehr windig und so schauten wir 2 Tage aus dem Fenster auf die Boote und die gegenüberliegenden Berge. Ich wanderte etwas im Ort umher, aber so spannend war das dann auch wieder nicht. Auch die weiteren Tage waren die Windvorhersagen nicht gerade ideal, aber am Tag 4 ging es wieder los. Wir fuhren auf eigene Faust wieder zum Plateau und dieses Mal blieben die Gummis gleich eine Etage höher. Die Burschen waren auch bissig und wir hatten zügig 2-3 kampfstarke Butts bis 90 cm im Boot. Auch diese Fische sausten an den Spinnruten unaufhaltsam zum Grund und lieferten tolle Drills. Zudem gab es einige Dorsche über einen Meter, so dass wir eine wirklich kurzweilige Angelei hatten.
Andere Boote hatten ein paar mehr und etwas größere Heilbutte an anderen Plätzen (flacher zwischen 10-20 m), aber die waren auch mit 4 Anglern im Boot und neben den Spinnruten baumelten 4 Köderfische unterm Boot. Statistisch blieb es also mit den Butten zäh und so hielten wir auch am Folgetag an unserer Strategie fest. Wieder aufs Plateau bzw. an die Unterwasserberge in Tiefen zwischen 30-50 m und wieder hatten wir schnell Buttkontakt. Wieder keine Riesen, aber Andreas konnte die Metermarke knacken. Und wieder gab es sehr schöne Dorsche oberhalb der Metermarke. Die Dünung war noch stärker und vor einer Insel ging es gefühlt 2-3 m hoch und runter.
Als alter Seebär stellte ich mich auch noch vorn ins Boot, was noch schlimmer war und nachdem ich 2 Dorsche etwas länger abhaken musste, wurde es dann auch meinem Magen zu viel. Ich ging zwar noch nach hinten ins Boot und schaute auf den Horizont, aber der kritische Punkt war schon überschritten und so fütterte ich dann zum ersten Mal im Leben die Fische an. Hinten im Boot ging es zwar noch ganz gut, aber nach weiteren 2 Stunden auf und ab, hatten wir die Nase voll und fuhren an einen etwas ruhigeren Platz. Andreas konnte gegen Abend noch einen echten Dorschgiganten von 1,27m Länge erwischen und so hatten wir einen tollen Tag. Im Camp machten wir dann jedoch große Augen und vor allem Ohren als wir hörten, dass ein Boot mit 4 Anglern im Camp sage und schreibe 33 Butte bis 1,35 m im Boot hatte. Davon etwas mehr als die Hälfte auf Gummifisch und den Rest auf die Köderfischruten. Man muss dabei ganz klar sagen, dass dies ein absoluter Ausnahmetag ist, denn im Mittel sind das schon recht gute Ergebnisse für eine ganze Woche mit 3-4 Mann im Boot. Wir hatten an dem Tag zu zweit zwar auch 4 Butte auf Gummifisch erwischt, fragten uns aber natürlich trotzdem, ob wir die Dorsche etwas weniger ärgern und stattdessen etwas flacher auf Heilbutt hätten fischen sollen.
Dann gab es wieder einen Tag Ausfall wegen Sturms und am Folgetag sagte yr.no zumindest für den Vormittag Idealbedingungen mit wenig Wind und Sonne voraus. So ging es an den Topplatz des Vortages und die Butte waren noch bissig. In den ersten beiden Stunden hatten wir mehrere Kontakte und auch Butte im Boot, wir konnten die Metermarke jedoch nicht knacken. Ich ließ dabei eine Köderfischrute mit totem Seelachs als Jokerrute unterm Boot baumeln und hatte darauf auch 3 Kontakte. Der Cirkle Hook konnte jedoch nicht richtig fassen. Kurz darauf zogen Wind und Wolken auf und die Beißerei war vorbei. Da ohnehin starker Wind für den Nachmittag angesagt war, traten wir den Rückweg an und bei schnell stärker werdendem Wind und hohen Wellen von hinten, mussten die Boote ohnehin schon zeigen, was in ihnen steckte, wobei wir uns stets sicher fühlten. Den Rest der Tour mussten wir dann wegen Sturms im Hafen bleiben und erkundeten etwas die Insel Havoy und ich konnte von Land im Hafen auch einige Platte auf Fischfetzen fangen und hatte auf meine geliebten Aroma-Japanwürmer auch einen Nachläufer eines mittleren Buttes oder was noch wahrscheinlicher ist einer wirklichen Monsterscholle, denn der Sund beherbergt wirklich kapitale Exemplare.
Alles in allem hatten wir diesem Mal leider Pech mit dem Wind. Das Revier konnte an den Angeltagen jedoch bereits sein enormes Potential andeuten. Der Toptag des anderen Bootes zeigte dabei, was unter Idealbedingungen möglich ist, wobei man sich eher darauf einstellen sollte, dass pro Woche und Boot 20-30 Butte bei gezielter Buttangelei schon ganz gute Ergebnisse sind. Das ist dann statistisch ein Fisch pro Tag und für den muss man beißen. Wer es etwas lockerer sieht, kann auch auf den Dorschplätzen immer wieder mit guten Butten rechnen und zudem sehr schöne Dorsche fangen, die wirklich zahlreich vertreten sind. Das Revier ist quasi am offenen Meer, bietet im Vergleich zu anderen vergleichbaren Revieren jedoch noch einen gewissen Schutz durch die vorgelagerten Inseln. Die Infrastruktur und die Bootsflotte sind geradezu ideal, die Insel bietet auf dem höchsten Punkt an Ausfalltagen auch einen ganz besonderen Ausblick auf eine schroffe aber gleichzeitig auch faszinierende Landschaft. Wir waren jedenfalls nicht das letzte Mal dort und kommen garantiert noch mal wieder.